Reife Früchte
Wie das Juicy Beats zu dem wurde, was es heute ist
1996. Club Trinidad. Im Keller des alten FZW am Neuen Graben tropft der Schweiß von der Decke. Es sind sicher 30, wenn nicht 40 Grad hier unten. Carsten Helmich steht am Plattenteller. House-Musik wummert aus den Boxen. Die Menge tanzt. Und schwitzt. Es ist Januar. Nicht auszudenken, wie warm es hier im Sommer wäre. "Es wäre nicht mehr möglich gewesen dort Partys zu machen”, sagt Helmich.
Ein undatiertes Bild aus den frühen Juicy-Beats-Tagen. (Foto: Daniel Sadrowski)
Wie wär’s denn, denkt sich Helmich da, wenn wir eine kleine Sommer-Party machen. Draußen, wo Platz genug zum Tanzen ist. Wo es nicht so stickig ist. Wo man sich frei fühlt, gelöst, einfach glücklich.
Im Westfalenpark gibt es so einen Ort. Das Sonnensegel. Das freitragende Dach sorgt für die nötige Clubstimmung. Dennoch ist es angenehm sommerlich hier. Ein paar Riesen-Papp-Früchtchen unter die Decke gehängt. Ein paar befreundete DJs eingeladen. Und Juicy Fruits ist geboren.
Das Kind hat einen Namen. Das Kind, das seit zwei Jahren volljährig ist, jetzt mit 20 vor der großen Reifeprüfung steht: dem Massen-Spektakel für 45.000 Menschen an zwei Tagen.
2500 kommen zur Sommerparty in den Westfalenpark am 26. Juli 1996. Dort, wo bislang nur Charts zu hören waren, dröhnt jetzt House-Musik aus den Boxen. Nichts, was besonders bekannt wäre, aber ziemlich gut dafür geeignet ist, um sich dazu eine ganz Nacht lang zu bewegen. „Dass so viele Leute zu so einer Musik tanzen“, sagt DJ Ingo Sänger, „das war damals echt besonders.“
Ingo Sänger gehört neben seinem Einslive-Partner Steffen Irlinger, Hans Nieswandt und Carsten Helmich selbst zur DJ-Mannschaft der ersten Juicy Fruits. Wer’s noch ein bisschen avantgardistischer mag, geht an diesem Abend zu den mittlerweile abgerissenen Bungalows im Park. Dort gibt’s eine zweite Tanzfläche mit Drum ’n’ Bass. Auch nicht unbedingt das, was zu dieser Zeit jeder hört, was aber langsam groß wird.
Es zeigt sich: Die Leute mögen das, was Carsten Helmich gemeinsam mit dem FZW, dem öffentlich subventionierten Verein für Unabhängige Kultur (VUK) und dem Jugendamt auf die Beine gestellt hat. Tanzen von 21 bis 4 Uhr morgens ohne Schweiß, der von der Decke tropft. Ein neuer Treffpunkt für Dortmunder Partyfreunde.
1997 muss Juicy Fruits sehr kurzfristig ins FZW verlegt werden. Wegen zäher Diskussionen über Lärmbelästigung beim ersten Mal fällt der Westfalenpark als Veranstaltungsort flach. So landet das Festival beinahe auf der Hohensyburg. Doch auch dieser Plan scheitert aus organisatorischen Gründen.
Handys und Internet so wie heute hat damals fast niemand. Die Leute erfahren trotzdem, wo sie hinmüssen. Es ist eine der vollsten Partys im FZW überhaupt, erinnert sich Matthias Schmidt vom FZW. 800 Besucher machen aus der hoffnungsvollen Premiere eine Reihe.
1998 ist das kleine Festival zurück im Westfalenpark, unterm Sonnensegel. Eingeladen werden jetzt auch andere DJs mit Partys im FZW. Beim dritten Mal kommen schon 4500 Menschen. Nach Nummer fünf muss sich das Festival umbenennen. Ein mächtiger Kaugummi-Hersteller droht mit Klage. Aus Juicy Fruits wird Juicy Beats.
Die Früchte funktionieren als Wiederkennungsmerkmal und als Wegweiser gleichermaßen. Die Orange, das Sonnensegel, war als erste da. Die Zitrone ist ebenfalls von Anfang mit auf dem Teller. Heute sind es 27 verschiedene Früchte. Sie stehen für 27 Bühnen.
Frühe Computertechnik. (Foto: Daniel Sadrowski)
Das Festival ist wie wenige weitere in Deutschland auch Ausdruck der DJ-Kultur und ihrer Evolution in den vergangenen 20 Jahren. Aus der Nische, die bei den ersten Versuchen im Westfalenpark mit Miniatur-Tanzflächen in kleinen Pavillons ein Sinnbild erhielt. Bis in die Massen-Kultur, wo Zehntausende heute auf den Hauptbühnen jungen Männern (und Frauen) hinter Laptops und Schaltpulten mit vielen Knöpfen zujubeln.
Juicy Beats war von Anfang an eine Plattform für diese Kultur. Mit ganz lokalem Blick. Etliche Dortmunder DJ’s sind schon von frühen Tagen an mit dabei. Andere Begleiter der Anfänge sind heute international etablierte Elektromusiker wie Hans Nieswandt.
Mittlerweile trifft der Untergrund auf die DJ-Oberliga. Siehe Fritz Kalkbrenner oder Walshy Fire von Major Lazer in diesem Jahr, siehe 2 Many DJ’s, Boys Noize oder Modeselektor in der Vergangenheit.
Was viele eint, die einmal das Juicy-Beats-Gefühl erlebt haben: Sie kommen immer gerne wieder. Das gilt speziell für die DJs, die “ihre” Party” zu festen Zeiten neben vielen anderen feiern.
Zu den Dortmunder Dauerbrennern auf dem Festival gehören Ingo Sänger (20-mal mit dabei), Juliet Sikora (10), Larse (10), Ante Perry (8) und weitere Wiederholungstäter.
Das Juicy Beats schafft besondere Erinnerungen bei den DJs, die hier aufgelegt haben. Dazu gehören die Erlebnisse bei den Auftritten. Tanzende Massen im Sonnenuntergang oder im Mondschein. Aber auch überraschend euphorische Momente am helllichten Tag, egal, ob bei Bruthitze oder strömendem Regen.
Was hängen bleibt, sind aber nicht nur die Dinge auf der Bühne. Sondern auch das, was am Rande passiert. Im Kontakt der Musiker untereinander, mit den Besuchern, mit der Stadt. Die skurrilen, die missglückten, die abgefahrenen Momente.
Einmal, es war noch ganz am Anfang, da hatte HerbLF, DJ des Drum’n’Bass-Floors, eine Wette verloren. Also hing er, als die Leute schon über die Wiesen stolperten, an einem Seil, sprang den Florian hinunter – damals waren Bungee-Sprünge noch möglich – und legte danach mit wackligen Beinen auf. „Wir haben ihm einen Stuhl hinter das Pult gestellt“, erinnert sich Matthias Schmidt. „Aber den brauchte er dann gar nicht.“
Damals gab’s an diesem Drum ’n’ Bass-Floor auch noch einen Pool, den unbedingt alle nutzen wollten – mit dem Wetter hat das Juicy Beats meistens Glück. Nur hatte der einen Riss, also wurde jede Stunde neues Wasser drauf gekippt. Juicy-Erinnerungen sind auch: Schwitzen wie Hans Nieswandt, der beim heißesten Juicy Beats aller Zeiten 2013 seine Plattenkiste über das gesamte Gelände „spazieren getragen hat”, bevor er endlich sein Bühne fand. Um nachts gleich nochmal aufzulegen, diesmal ohne lange Suche.
Oder es sind Details, wie sie die Band Frittenbude formuliert, wenn sie an den besten Moment ihrer vier Juicy-Beats-Auftritte denkt: “Nachts an diesem kleinen See zu liegen und zu bemerken, dass das wirklich Flamingos sind.” Die Flamingos werden heute vor dem Partyvolk geschützt und sind während Juicy Beats ausquartiert. Ebenso wie eine Attraktion der Anfangsjahre fehlt: Die Parkbahn, die schon DJ-Floor oder Ausspann-Möglichkeit für die Besucher war, aber aus Sicherheitsgründen mittlerweile im Depot bleibt.
Heute sind die DJs immer noch diejenigen für die Nischen. Aber sie sind auch diejenigen, wegen denen die Menschen auf die Festwiese vor der Hauptbühne strömen. Popstars mit Laptop und Knöpfchen.
Deichkind reiten 2009 auf der Welle. (Foto: Jens Carstensen/dpa)
Was das Festival und seine Macher von Anfang ausgemacht hat, wird mit jedem Jahr deutlicher: die Offenheit für neue musikalische Entwicklungen. Aus den reinen Pult-DJs werden neue Formen von Live-Musik – und die sind im Westfalenpark zu hören.
Hip-Hop wird gerade im der dafür sehr empfänglichen Dortmund ein Bestandteil von Juicy Beats. Weil der Begriff von Elektro ab dem Jahr 2000 gar nicht mehr in ein paar Schubladen passt, sind plötzlich auch „richtige” Bands auf „richtigen” Bühnen mit dabei. Erst unter dem Sonnensegel. Dann auf einer Mini-Bühne auf der Festwiese. Heute ist sie viermal so groß bis damals. Heute stehen hier Musiker, die alleine ganze Hallen füllen.
Ab 2003 nehmen die Bands einen immer größeren Platz im Programm ein. 2004 spielt der finnische Elektro-Pionier Jimi Tenor eine seiner raren Shows im Westfalenpark. Zum Zehnjährigen kommen 2004 die deutschen Hip-Hop-Größen DJ Koze und Cosmic DJ, dazu Deutsch Amerikanische Freundschaft als Reminiszenz an die 80er Jahre.
Für den VUK als veranstaltenden Verein aber wird die Last zu groß, er kann das Festival finanziell nicht länger tragen und steigt aus. „Für mich war klar, dass es weitergehen soll“, sagt Carsten Helmich, der vor vier Jahren zum letzten Mal beim Juicy Beats aufgelegt hat. Die, die weitermachen wollen mit diesem Festival, gründen den Upop Verein und die Popmodern Veranstaltungs GmbH, für die finanzielle Absicherung.
Mit der neuen Konstellation wächst das Festival weiter. Es wird professioneller, mit Uli Künneke ist ein zweiter Booker an Bord, die Radiopromoterin Stefanie Franke wird fest engagiert, die Kontakte in die Musikbranche werden besser, die Künstler auf den Bühnen bekannter.
Die legendärsten Festival-Momente
2007 kommen 22.000 Menschen am letzten Juli-Samstag in den Westfalenpark. Es ist voll, es ist laut, es ist heiß. Es ist die perfekte Zeit für den kollektiven Festival-Moment, der seitdem für immer mit dem Juicy Beats verbunden sein wird. Deichkind zelebrieren bei ihrem Auftritt auf der Hauptbühne eine gigantische Bierdusche, verteilen 1000 Dosen Astra-Pils in den Reihen und lassen diese auf ein musikalisches Party-Kommando öffnen. Unvergessliche Bilder. Die Deichkind 2009 sogar nochmal wiederholen.
Die Liste der legendären Auftritte ist lang. Modeselektor haben 2012 eine Kissenschlacht vor der Hauptbühne angezettelt. Marteria nahm 2013 den Deichkind-Impuls auf und surfte mit einem Gummiboot in der Menge. 2012 liefern die Belgier „2 Many DJs“ eine beeindruckende Show mit ihren Mash-Ups, also populären Liedern, die ineinander gemischt und live moduliert werden und einen völlig neuen Charakter erhalten.
Die Techno-Party ist längst zum Gitarren-Festival geworden und hat auch damit noch einmal sein Publikum erweitert. 2010 bespielen Tocotronic, auf dem Weg zum lebendigen Rock-Kultur-Erbe, die Hauptbühne. 2012 gelingt den Bookern mit ein guter Fang, als sie Rapper Casper als Hauptact in einer Zeit erwischen, in der er gerade an die Oberfläche schwimmt. Sein Auftritt schließt die Klammer zwischen dem ganz jungen Kreisch-Publikum und den gesetzten Musikfans, als der deutsche Indierock-Wegbereiter Thees Uhlmann für ein Lied mit auf die Bühne kommt.
Die Liste ist nicht komplett ohne die vielen Rand-Momente. Tausende von Masken mit dem Konterfei des Rappers MC Fitti auf dem ganzen Festival-Gelände. Dazu ein weiterer kollektiver Festivalmoment, der jedes Jahr wiederkehrt: Der, wenn du als Besucher plötzlich vor einer Frucht stehen bleibst und es einfach mal kurz Spaß macht. Egal, ob polnischer Ska, portugiesischer Pop, deutsche Wortakrobatik oder die Band, die du über ein paar Ecken persönlich kennst.
Bunt, fröhlich, friedlich - die Besucher bei Juicy Beats. (Foto: H&H Photographics)
Die meisten, die einmal hier waren, möchten wiederkommen – was für die Künstler gilt, gilt auch für die Besucher. Vielleicht, weil das Juicy Beats nicht besonders hip, nicht besonders cool, nicht besonders alternativ ist. Sondern von allem etwas und von nichts zu viel.
Hier sind Mädchen mit Blumenketten in den Haaren, kurzen Shorts und gold-glitzernden Klebetattoos. Hier sind aber auch Typen in Schlabberbuchse und Simpsons-T-Shirt. Hier sind Mayday-Gänger genauso wie Splash-Fans. Hier sind Modemädchen und BVB-Fans. Hier bekommst du heute auch Chartmusik. Aber eben auch, und vor allem, „den frischen, heißen Scheiß“ (Helmich).
Längst ist Juicy Beats kein reines Elektrofestival mehr. Hip-Hop, Indie, Weltmusik, Reggae, Pop – all das gehört nun dazu. Inklusive Besuchern der angehörigen Subkultur. Das macht es noch etwas bunter als andere Festivals. Es ist ein Festival, bei dem Kinder willkommen sind. Bei dem der ergraute Raver oder Indierocker der 90er-Jahre neben dem hippen Fangirl der heutigen Partykultur feiert.
Die Gleichung, die Juicy Beats bei den Gästen beliebt macht, ist laut Carsten Helmich einfach. „Wer auf der Bühne ackert, der wird auch abgefeiert“, sagt Helmich. Die Leute kommen wegen der Musik, aber eben nicht nur. Sie wollen feiern, Spaß haben. Das war bei Juicy Fruits 1 so. Und das ist bei Juicy Beats 20 noch immer so. „Natürlich müssen wir ein gutes Line-Up haben“, sagt Helmich. „Aber es ist für uns nicht überlebenswichtig.“
Die Leute kommen auch, weil dieses Festival so sehr mit der Stadt verwurzelt ist. Mit diesem besonderem Stückchen Dortmund, jener 70 Hektar großen Grünfläche, neben vielem anderen seit 1996 eben auch für gute Musik steht. Jeder Dortmunder kennt und liebt den Westfalenpark. „Ich habe aus meinem Kinderzimmer auf den Florian geschaut“, erzählt Carsten Helmich.
Verlaufen, sagt er, könne er sich hier nicht. Ganz im Gegensatz zu vielen Juicy-Beats-Besuchern, die beim lustigen Früchte-Suchen besonders in der Dunkelheit schnell mal die Orientierung verlieren. Wer zur Birne will, landet an der Ananas. Wer zur Banane will, kommt bei der Zitrone raus. Aber so kommen Besucher eben in den Genuss ganz anderer Musik als der, die sie eigentlich hören wollten. Und das ist gut so.
Fest steht: Es kommen immer mehr Menschen nach Dortmund. Das Festival ist bis auf drei Jahre immer gewachsen. Aber nicht um jeden Preis, sondern organisch.
Immer in Richtung Party: Crowdsurfen bei Juicy Beats. (Foto: H&H Photographics)
Die Jubiläums-Sause setzt nochmal ganz andere Maßstäbe. Erstmals zwei Tage. Erstmals mit Camping. Erstmals 45.000 Besucher. Mit Fettes Brot ist eine neue Kategorie von Bands gebucht. Der Rest des Line-Ups bleibt Juicy-Beats-typisch - also Etabliertes und Entdeckenswertes nebeneinander. Größer geht’s erstmal nicht. „Damit“, sagt Carsten Helmich und er meint es ehrlich, „hätte ich nie gerechnet.“
Die Bühnen und das Programm von Juicy Beats 20 (klicken Sie auf die Früchte, um Details zu erfahren):
Die Vorfreude auf Nummer 20 ist jedenfalls schon seit Wochen spürbar. Die zweite Festival-Generation äußert das vor allem in Sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter, verabredet sich dort schon fleißig zum Feiern und Knuddeln, organisiert Schlafplätze und Ticket-Tauschaktionen.
Das muss man den Machern lassen: Sie wissen, wie sie das ganze junge Publikum an ein solches Event binden. Mit gut durchdachter Band-Auswahl, mit vergünstigten Teenie-Tickets und einer Atmosphäre, bei der Eltern keine Angst um ihren Nachwuchs haben müssen.
In 20 Jahren Juicy Beats war bei Weitem nicht alles blumenkranzumrankte Woodstock-Harmonie. Es gab und gibt immer Diskussionen um Dinge, die ein stetig wachsendes Festival zwangsläufig begleiten.
Etwa um die Lautstärke. Nach 22 Uhr ist Schluss auf den Bühnen, danach geht es gedämpft drinnen weiter. Oder bei der Silent-Disco, bei der die Musik aus Kopfhörern kommt und trotzdem alle wie wild tanzen. Die Debatte um Müll und Energieintensität schlägt sich nieder in einer Initiative wie „A greener Beat“. Müllvermeidung, die Verbesserung der Anreise mit dem Öffentlichen Nahverkehr, Unterstützung verschiedener Klimaprojekte - so etwas gehört heute zu Festivals dazu.
Ein sensibles Thema, gerade in diesem Jahr: der Ticketpreis, der seit Jahren steigt. So wie in ganz Deutschland, wo die Kosten für Festivals um 50 Prozent seit 2009 angezogen haben. Mit rund 60 Euro für zwei Tage liegt Juicy Beats immer noch unter dem Niveau vieler vergleichbaren Festivals. Aber es sind eben keine Preise mehr, für die man einfach in den Westfalenpark fährt und mal schaut, was passiert. Zum Vergleich: Das Juicy Beats 13 gab es 2008 noch für 18 Euro. Drei Jahre später kostete ein Ticket 30 Euro. 2015 ist der Samstag als Haupttag für rund 40 Euro zu haben. Nicht alle, das hat sich im Vorfeld von Nummer 20 gezeigt, sind bereit, diesen Weg mitzugehen. Ausverkauft wird das Festival trotzdem sein.
„Die Gagen für die Künstler sind heute auf einem ganz anderen Level“, sagt Carsten Helmich. „Die Bands verkaufen keine Platten mehr und versuchen das Geld durch Konzerte wieder hereinzuholen.“ Auch die Anforderungen der Künstler steigen. Ein Backstage-Bereich ist heute selbstverständlich. Vor zehn Jahren gab es den noch nicht. Was bei der Managerin der Gruppe International Pony damals zu einem kurzen hysterischen Anfall führte, wie sich Helmich erinnert.
Das Festival schafft einen Moment der Freiheit – und kann sich doch manchmal nicht von der Realität lösen. 2010 sterben eine Woche vor dem Juicy Beats 21 Menschen bei der Loveparade in Duisburg. Die Angst, der Schrecken sind trotz eines funktionierenden Sicherheitskonzepts auch sieben Tage nach der Loveparade in Dortmund noch greifbar. Eine Absage steht nur kurz im Raum, doch die DJs und Musiker wollen weitermachen.
Nach der Katastrophe von Duisburg wurde eine Gedenktafel bei Juicy Beats aufgestellt. (Foto: Oliver Schaper)
An einer Gedenkwand können Besucher ihre Gedanken aufschreiben. Ein Priester steht auf der Bühne, DJ Klaus Fiehe richtet seine Worte ans Publikum. Für 15 Minuten sind alle Bühnen geschlossen. Für 15 Minuten wird geschwiegen. Das ist wichtig, das hilft, das behalten die Menschen in Erinnerung. So richtig verschwinden wird dieses diffuse, dumpfe Gefühl bei großen Menschenansammlungen ohnehin wohl nie so richtig. Die Loveparade-Katastrophe hat Open-Airs verändert, nicht nur, weil die Kosten für die Sicherheit immens gestiegen sind.
Die Frage, die vor dem runden Juicy-Beats-Geburtstag bleibt, lautet: Wie lässt sich der Wert eines solches Festivals für eine Stadt wie Dortmund bemessen?
Festzuhalten ist: Eine steigende Anzahl von zufriedenen Besuchern jedes Jahr kann für das Image einer Stadt nur gut sein. Juicy Beats immer noch da ist und nicht wie viele andere Musikformate verschwunden ist. Das Festival hat den Westfalenpark belebt, auch als Musik-Ort, der jedes Jahr mehr Konzerte auf der Festwiese bietet.
Zwei von unzähligen Juicy-Beats-Besuchern in den letzten 20 Jahren. Das Festival hat den Westfalenpark belebt. (Foto: Daniel Sadrowski)
„Die Stadt“, sagt DJ Ingo Sänger deshalb, „könnte sogar noch ein bisschen stolzer auf dieses Festival sein.“ Die Stadt, das muss dazu gesagt werden, hat in den ersten Jahren mitgeholfen, das Festival anzuschieben. Die städtische Beteiligung an den Kosten, verriet Helmich 2014 in einem Interview, sei geringer als bei anderen Festivals. Juicy Beats habe deshalb immer wieder mal auf der Kippe gestanden. Und ist trotzdem gewachsen.
Die erste Frucht, die Orange, hat einen neuen Ort. Das Sonnensegel, bis 2012 Herzstück des Festivals, ist mittlerweile wegen Baufälligkeit gesperrt. Für diejenigen, die von Anfang an dabei, bleibt es für immer mit jenem Moment verbunden, der den Geist des Club Trinidad und das Massen-Spektakel verbindet. Carsten Helmich und Ingo Sänger im Zusammenspiel. 4 Uhr morgens. Kurz vorm Rausschmiss. Noch ein Lied, ein allerletztes Lied. Noch einmal den Moment aufsaugen. Augen zu. Tanzen.
Und wenn der letzte Beat verklungen ist: Wieder von vorne anfangen. Denn Juicy Beats 21 kommt bestimmt. Dann noch größer? Nicht um jeden Preis, diesen Anspruch hat Helmich einmal formuliert: “Es soll eins der besondersten Festivals bleiben.”
Texte: Jana Schoo und Felix Guth
Videos: Jana Schoo, Juicy Beats, YouTube
Titelbild: Jens Carstensen/dpa
Redaktion: Thomas Thiel
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