Es ist die Reise in die Partnerstadt. Eine 36-stündige Recherchetour von Dortmund nach Zwickau, aus dem östlichsten Westen in den westlichsten Osten, in diesem November, der ein besonderes Gewicht hat. Der ein November ist, in dem Deutschland nachdenkt. Über unwiederbringliche Euphorie. Über das Verhältnis von Ost und West. Dortmund und Zwickau sind zwei Orte, die exemplarisch vom Zusammenwachsen und Auseinanderreißen des jungen Deutschlands seit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 erzählen.
Zu den runden Stichtagen der Geschichte ist es immer, als schrecke ein ganzes Land aus dem Schlaf auf. Um dann, sobald der Kalender einen Tag weiterschreitet, wieder einzudämmern.
Dabei geht es doch um grundsätzliche Fragen: Was ist eigentlich passiert in diesen 25 Jahren? Wie fühlen wir uns in diesem vereinten Land, das damals alle so sehr wollten? Müssen wir etwas ändern, wenn wir merken, dass immer weniger es sehr und immer mehr gar nicht wollen?
Oder sollten wir sogar endlich aufhören in Ost und West zu unterscheiden, wo wir doch längst ein Land sind?
Ich gehöre zu einer Generation, die so denken könnte. Ich habe hier aus dem Ruhrgebiet die Wende mit sieben Jahren nicht bewusst erlebt, den Tag aber dennoch damals als einen Besonderen wahrgenommen. Mein Vater rief abends voller Euphorie aus Berlin an, viele Freunde lebten dort. Dennoch: Begriffen, was aus der Einheit folgen würde, habe ich nicht.
Das, was einmal DDR war, sehe ich zum ersten Mal 1991 aus dem Autofenster heraus, danach viele Jahre nicht mehr. Stattdessen ist das Wissen über Ost-Deutschland wie bei so vielen meines Alters: theoretisch, durch das Bild in Erziehung und Medien geprägt.
Es ist auch, man sollte ehrlich zu sich selbst sein, mit Vorurteilen verbunden. Auch wenn ja jeder die Sprüche mit der Zone und den Bananen immer witzig meint.
Die Wirklichkeit hinter dieser seit 25 Jahren diskutierten "Ossi-Wessi"-Frage herauszufinden, meine eigene Haltung zu überprüfen - das macht es so reizvoll, den Weg nach Zwickau anzutreten. Zu den 93.000 Einwohnern einer schrumpfenden Stadt, die stolz ist auf ihre Geschichte und ihre berühmten Kinder wie Robert Schumann oder Max Pechstein. Und die zu ihren aktuellen Problemen stehen muss, die sinnbildlich für vieles stehen, was beginnend mit dem 9. November 1989 versprochen, aber nicht gehalten wurde.
36 Stunden, die Zeit ist knapp. Ich treffe alte und junge Ostdeutsche, solche mit einer konkreten Erinnerung an die Anfangstage des vereinten Deutschlands und solche, für die das Ganze genauso theoretisch ist wie für mich selbst. Ich treffe Dortmunder, die es nach Zwickau geführt hat, Zwickauer, die mit Dortmund viel verbinden.
An einem Ort, der viel häufiger nach Zuhause klingt, schmeckt oder riecht, als ich es erwartet hätte.
Es ist eine deutsch-deutsche Partnerschaft, die bereits seit 1988 existiert. Doch in der Zeit, die es nach Zwickau braucht, käme man von Dortmund in andere Richtungen mal mindestens bis ans Meer. Acht Stunden Zugreise liegen zwischen Westfalen und Westsachsen. Längst ohne Anträge und Grenzer-Kontrollen, sondern mit der (Gesamt-)Deutschen Bahn AG, wo nicht einmal jemand das Ticket sehen will.
Die Reise liefert schon Wahrheiten mitten aus dem Leben. Das liegt an Hanne (85) und Roswitha (61), den Mitreisenden auf Platz 62 und 64 aus Leipzig und Gotha. Die Sorge um den Zug, der ganz klassisch mit kaputter Klimaanlage und unpünktlich zwischen tiefer westdeutscher Provinz und urbanem Osten nach Leipzig unterwegs ist, vereint. Den „Wessi“, wie mich Hanne lachend nennt, und zwei Frauen, die in einem anderen Staat das Leben gelernt haben, das sie heute führen.
"Es war nicht alles schlecht", meint Roswitha.
„Es ist manchmal ganz gut, einen Vergleich zu haben“, sagt Hanne.
Sie sagt es am Ende eines langen Gesprächs über Afghanistan und Kobane, Uli Hoeneß und den BVB, Merkel und Putin. Über ihr Arbeitsleben als Chemie-Laborantin und Schöffin am DDR-Gericht. Immer zwischen dem Glauben an ein funktionierendes System und der klaren Sicht darauf, dass dieses System missbraucht wird.
Sie hat erlebt, wie Grenzflüchtlinge verurteilt werden, die sich im Dach eines Zuges versteckt hatten. Und sie nicht eingreifen konnte. Sie hat geschwiegen, als die Stasi eines Tages nach den West-Paketen ihrer Nachbarin gefragt hat.
Als Hanne in Leipzig Lebewohl sagt, steige ich an einem der modernsten Bahnhöfe Deutschlands um. Es sind noch eineinhalb Stunden bis zur Partnerstadt in der fein gepolsterten, aber menschenleeren S-Bahn. Entspannung verschafft die Computerstimme, die Stationen wie Neukieritzsch und Crimmitschau durchsagt – es ist dieselbe, die mich in Dortmund nach Neuasseln und Germania bringt. Auch ein Stück Einheit.
Zwickau erwacht strahlend in diesem November rund um den lauten Feier-Akkord zum Jahrestag der friedlichen Revolution, der in diesen letzten Monaten des Jahres überall hörbar ist. Ein schöner Schein am Rande der Stadt. Der Eckersbach rauscht durch den gleichnamigen Stadtteil, ein sanftes Auf und Ab entlang von herbstlichen Bäumen führt durch diesen Vorort. Der alle paar Meter von ländlicher Idylle in funktionalen Massen-Neubau wechselt. Dazwischen ein leeres Haus, ein stillgelegtes Auto, ein einsamer Mann blickt aus dem Fenster. Die Kontraste machen diese Stadt spannend.
Was für Dortmund der BVB ist, ist für Zwickau der FSV. Der Fußballklub der Stadt spielt zwar drei Ligen unter der Borussia. Was ihn aber nicht weniger präsent im Stadtbild macht. Fan-Graffiti, Aufkleber, Forderungen für einen Stadion-Neubau in Eckersbach - „Zwigge“ ist allgegenwärtig. Anfang der 90er-Jahre stand der FSV mal an der Schwelle zur Bundesliga. Heute kämpft man in der Regionalliga um die Spitze. Das neue Stadion kommt auch, gerade hat der Stadtrat den Neubau für rund 18 Millionen Euro beschlossen.
Am Fuße des hügeligen Stadtteils weht ein Geruch um die Ecke, der an ein vergangenes Dortmund erinnert: Die schwere Süße von Hopfen im Kessel, hier produziert die „Mauritius“-Brauerei einen „Schluck Heimat“. Später am Abend werde ich wissen: Er ist trinkbar, der Schluck Heimat, wenn er auch im ersten Moment ein wenig an Dosenbier erinnert.
Vor dem Werks-Tor rauscht der Verkehr über die Schnellstraße, unter der „Neuen Bierbrücke“ fließt der Fluss Mulde völlig tiefenentspannt an der Innenstadt entlang. Vorbei am Schlobigpark, in dem jugendliche BMX-Fahrer, Senioren-Spaziergänger und Morgen-Trinker nebeneinander existieren. Vorbei an alten Industrieorten wie dem Gasometer, die jetzt für Kultur und Freizeit stehen. Bis ins Paradies.
Die Paradies-Brücke liegt nur wenige Meter abseits der Altstadt. Hier locken breite Wege und viel Grün die Zwickauer und die Touristen, von denen es hier immer mehr gibt. Hier stand die Wiege des Bergbaus in Zwickau, der bis Ende die 70er-Jahre einen großen Teil der Stadt ernährte. Einst ein wichtiger Wachstumsfaktor und weiterhin ein stolz bewahrtes Erbe, macht der über Jahrhunderte nach Steinkohle durchwühlte Boden enorme Probleme. Der unterhöhlte Zwickauer Dom bekommt bald ein Stahl-Gerüst, damit er nicht umfällt, die halbe Stadt steht letztlich auf wackeligem Grund. Irgendwie ein bekanntes Gefühl, wenn man aus dem Ruhrgebiet kommt. Die Häuser-Fassaden in Zwickaus Mitte stecken Dortmund locker in die Tasche. Da ist viel restaurierte Gründerzeit, teilweise gar mittelalterliche und barocke Pracht. Die Stadt hat viel Geld in die Hand genommen, um den architektonisch wertvollen Bestand wieder in Schuss zu bringen. Hier 18 Millionen für das Rathaus, hier nochmal acht für das Kornhaus, jetzt eine der modernsten Bibliotheken Deutschlands. Hinzu kommen viele öffentliche und private Initiativen, um über Jahrzehnte vernachlässigte Altbauten wieder aufzufrischen.
„Bin ich schön?“ scheint die Stadt zu fragen. Ja, du bist schön. Auch wenn (oder gerade weil) neben der frischen Fassade immer wieder hohle Zähne stehen, verlassene Altbauten, um die sich die Besitzer nicht kümmern.
Kein typisches Zwickauer-Problem, wie Oberbürgermeisterin Pia Findeiß erklärt. Im Einigungsvertrag ist das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ festgeschrieben – mit der Folge, dass viele Immobilienbesitzer zwar ihre Objekte zurückerhielten, sich aber nie darum kümmern konnten. Viele ostdeutsche Städte leiden noch heute darunter – denn es ist teilweise wertvoller Baubestand an prominenten Stellen, der hier vor sich hin verfällt.
Vieles hat sich gewandelt seit jenen Tagen am Übergang in die 90er-Jahre. Die Straßen waren damals schwarz vom Ruß der Kokerei, viele Häuser völlig marode, die auf die Trabant-Produktion gestützte Wirtschaft am Boden. Die Zwickauer versuchen, irgendwo zwischen Währungsunion, Goldgräberstimmung und großer Frustration ihren Platz zu finden. Nicht allen gelingt das. Doch im Nachhinein hat die Stadt Glück gehabt. Denn hätte VW nicht die jahrzehntelangen Autoproduktions-Strukturen übernommen und hier ein großes Werk eröffnet - wer weiß, wie es um die Stadt heute stünde.
Selbst Bürokratie war in diesen Wende-Jahren ein Abenteuer. Im Einheits-Chaos zwischen Bundestags-, Kommunal- und Landtagswahlen machte man sich in Zwickau die Gesetze gezwungenermaßen selbst, um nicht im rechtsfreien Raum zu leben. „Unsere erste Polizeiverordnung haben wir uns selbst geschrieben, ohne Ermächtigung durch das Innenministerium“, sagt Rainer Eichhorn, von 1990 bis 2011 Oberbürgermeister für die CDU. „Es war eine wilde Zeit.“
Auch Ulrich Breulmann erlebte sie. Der Journalist, heute Leiter unserer Lokalredaktion Dortmund, war damals als Reporter in Zwickau:
Joachim Schwill war mittendrin in dieser Punk-Ära des deutschen Verwaltungswesens. Der gebürtige Dortmunder kam im Juli 1990 nach Zwickau, baute hier das Rechtsamt auf, wurde zwischendurch noch DDR-Bürger. „Es gab viel Gestaltungsfreiheit, aber kein Telefon oder Telefax“. Ein einfacher Anruf etwa war mit Reisen an höher gelegene Orte der Stadt verbunden.
Es war die Zeit, in der sich die Unterstützung aus Dortmund bezahlt machte. Auch, weil die Dortmunder den Willen hatten zu unterstützen – mit Technik, mit Geld, mit Investitionen, mit politischer Kooperation. „Was in dieser Zeit an Hilfe gekommen ist, ist deutlich mehr als in allen anderen deutsch-deutschen Partnerschaften. Alle, die das miterlebt haben, empfinden dafür Dankbarkeit“, meint Rainer Eichhorn. Der korrupte Besser-Wessi sei auch in Zwickau gesichtet worden – aber er kam nicht aus Dortmund.
Was die Verwaltung angeht, ähneln sich viele Strukturen noch immer. Das beginnt bei den Dezernaten. Und endet dabei, dass ein Strafzettel des Ordnungsamts in Zwickau genauso aussieht wie in Dortmund. Die Deckungsgleichheit hat aber auch Nachteile. So gönnt sich Zwickau eine Verwaltung, die eigentlich zu groß für die Stadt ist. Ein Problem, das man in Dortmund schon seit Jahren versucht zu lösen.
Die bewegte Wende Zwickaus von der Diktatur zur Demokratie und die intensive Kooperation der beiden Partnerstädte erlebte unser Fotograf Stephan Schütze 1989/90 hautnah mit. Er war bei dem Besuch einer Dortmunder Delegation in Zwickau dabei - und war neben den offiziellen Terminen auch viel in der Stadt unterwegs. Seine Fotos:
Der rasante Wandel in der Stadt faszinierte auch viele westdeutsche Hobbyfilmer. Einer von ihnen hat die kommentierten Aufnahmen seines Zwickau-Besuchs im August 1990 auf Youtube veröffentlicht:
Der ganze Stolz Zwickaus liegt zwischen Rathaus und Dom. Das Schumann-Haus ist Geburtsstätte und einer von mehreren Schaffensorten des Komponisten Robert Schumann (1810-1856). Zwischen zahlreichen Original-Dokumenten über Schumanns Werk sitzt ein echter Dortmunder, Thomas Synofzik, seit 2005 Leiter des Hauses, das Musikschule, Museum und Konzertsaal zugleich ist.
Er ist seiner ersten musikalischen Liebe Schumann gefolgt. Und hat hier seine Liebe fürs Leben gefunden. Im Kirchenchor lernte er seine Frau kennen – eine halbe Engländerin, die aus Löttringhausen stammt. Zwei Dortmunder in Zwickau, deren Kinder dreisprachig aufwachsen, wie Synofzik lachend sagt – „deutsch, englisch, sächsisch“. Er fühlt sich nach einem Jahrzehnt im Osten wohl, ist froh in einer der „kulturell bedeutendsten Städte Sachsens gelandet“ zu sein. Neben dem Schumann-Haus gibt es ein Vier-Sparten-Theater und eine Puppenbühne. Und viele Museen, von einer Sammlung des gebürtigen Zwickauers Max Pechstein bis zur lebendigen Geschichte des Automobilbaus in der Region.
Das Schumann-Erbe wurde schon zu DDR-Zeiten gepflegt. In den Jahren danach Kultur zu einem zentralen Faktor für die Stadt zu machen, war eine bewusste Entscheidung. "Die Stadt hat tolle Sprünge gemacht", sagt Synofzik, der auch noch das "Russ-Zwickau" von vor 20 Jahren kennt.
Wie die Stadt in den wilden Wende-Jahren auf einen Wessi wirkte, erzählt Journalist Breulmann in eindringlichen Worten:
Was zwischen der historischen Pracht auffällig fehlt, sind Menschen. Rund 25.000 Einwohner hat die Stadt seit 1990 verloren. Im Zentrum wird das durch den Zuzug junger Familien noch einigermaßen ausgeglichen. Sichtbarer wird das in Vororten wie Neuplanitz. Hier liegt die Dortmunder Straße, die alles andere als eine Prachtallee ist. Nahe des Einkaufszentrums Baikal reiht sich hier über einen guten Kilometer Plattenbau an Plattenbau. Es gibt solche Orte auch in Dortmund, es gibt sie in Scharnhorst, in Dorstfeld oder in Benninghofen. Die Optik ist ähnlich, die Umstände sind anders.
In der in den 70er-Jahren angelegten Siedlung hat sich die Einwohnerzahl seit der Wende halbiert, ein wesentlicher Teil der Häuser wird schlicht nicht mehr benötigt. Die Stadt hat hier und in anderen Stadtteilen wie Eckersbach in den vergangenen Jahren mehr als 5000 Häuser zurückgebaut. Wer kann, der zieht weg, wer bleibt, wird hier alt. Zuzüge gibt es in diesen Gebieten kaum. Mit sichtbaren Folgen für Sozialstruktur und Klima im Stadtteil.
Wer hier aufgewachsen ist, kennt Geschichten, in denen sich die Neubaublocks mit Jugend-Erlebnissen zwischen Ladendiebstahl, Benzin schnüffeln und Fußballtraining und Geburtstagsfeiern bei Nazis verbinden. Sie erzählen von einem heftigen Alltag, in dem Freunde zu Feinden werden können – und andersherum. Es sind Gegenden wie diese, auf denen die hohe Nachfrage nach der Synthetik-Droge Crystal Meth fußt, die hier nahe der tschechischen Grenze zu einem immer größeren Problem wird. Die Dortmunder Straße, das genaue Gegenteil der Zwickauer Straße im gediegenen Dortmunder Saarlandstraßen-Viertel, ist Ausdruck dieser Entwicklung. Sie war zuletzt ein kleiner Krisenherd in der Stadt. Denn auch in Zwickau kommen Ausläufer der weltweiten Flüchtlingswellen an, auch hier wird Platz für sie gesucht – an der Dortmunder Straße, ausgerechnet dort, wo es ohnehin schon viele Probleme gibt. Es gab Proteste dagegen. Aber auch bemerkenswerte Unterstützung und Solidarität.
Die Oberbürgermeisterin gibt die Hoffnung nicht auf. „Wir haben zuletzt ein leicht positives Wanderungssaldo, was vor allem an veränderten Lebenseinstellungen liegt. Die Alten ziehen vom Land in die Stadt, junge Familien siedeln sich in der Innenstadt an.“ Parallel dazu wird der Rückbau von Häusern weitergehen.
Die Stadt hat eine Zukunft, daran glaubt Findeiß fest. Die Westsächsische Hochschule soll helfen, um sich von der Automobilindustrie unabhängiger zu machen, auf der rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung fußen. Es ist einer von mehreren kleinen Bausteinen für die Zukunft.
An die Stelle der alten Probleme sind neue getreten – es sind gemeinsame Probleme zwischen Infrastruktur, Haushalt und Debatten über die Gesellschaft, die wir für richtig halten.
Es gibt grundlegende Fragen, bei denen die Städte voneinander lernen können. Denn es spiegeln sich speziell im Ruhrgebiet einige Probleme, die man lange für „typisch ostdeutsch“ gehalten hat. Etwa das Veröden ganzer Stadtviertel und das Thema Rückbau, für das sich beim Deutschen Städtetag immer mehr West-Bürgermeister interessieren. Dortmunds OB Ullrich Sierau gehörte zu den ersten, die einen „West-Soli“ gefordert haben.
Gemeinsam diskutieren Dortmund und Zwickau auch das Thema politischer Extremismus. Auch wenn Pia Findeiß von „ganz anderen Rahmenbedingungen spricht, etwa bei Fragen von Zuwanderung“. Wie viele Fragen noch offen sind, zeigt sich auch an diesen Novembertagen, in denen es in Zwickau seit der Aufdeckung des NSU-Netzwerks mit der Explosion eines Hauses an der Frühlingsstraße im Stadtteil Weißenborn am 4. November 2011 einen weiteren Stichtag gibt, der Diskussionen erfordert. Die Stadt setzt sich mit dem Thema auseinander, das wird in vielen Gesprächen in diesem Herbst deutlich. Es gibt ein aktives Demokratiebündnis, es gibt das Projekt „Grass Lifters“, das auf künstlerische Art die Aufarbeitung der Ereignisse einfordert und schon Fortschritte feststellt. Es gibt, so Oberbürgermeisterin Findeiß, einen „Bedarf nach Informationen zu diesem Thema“.
Es gibt aber eben auch die offenen Fragen, rund um den Prozess gegen Beate Zschäpe und ihre Helfer in München, rund um eine offen auftretende rechte Szene. Die Antworten darauf wollen die Menschen in Zwickau genauso dringend wissen wie in Dortmund. Denn sie haben genug vom Attribut „Nazi-Stadt“ – weil es nicht stimmt und beide Orte für so vieles mehr stehen.
Seit der ersten Vereinbarung über eine offizielle Verbindung 1988 sind viele Schienen gelegt worden. Etwa über die Zusammenarbeit der Kirchen. Der Dortmunder Klaus Philipps erlebte als Vertreter der evangelischen Kirche, wie aus geflüstertem Protest im geschützten Raum laute Demos wurden. „Als wir im September 1989 zum letzten Mal in der DDR waren, herrschte eine sehr nervöse Stimmung, wurden unsere Bibeln kontrolliert. Niemand wusste, wie der Staat auf die Proteste reagieren würde“, erinnert sich Philipps. „Wir sind voller Sorge wieder gefahren.“ Aus den offiziellen Besuchen sind schnell Freundschaften geworden.
Kurz darauf war die Mauer weg. Die Freundschaften sind geblieben. Auch die zwischen den Kleingartenvereinen „Nordlichter“ und „Frohe Arbeit“, die sich erst nach der Wende gefunden und gegenseitig ins Herz geschlossen haben. Der offizielle Austausch ist ohnehin festgeschrieben. Knapp 30 Kooperationen aus den Bereichen Sport, Kultur, Wirtschaftsförderung und Zivilgesellschaft stehen in der Partnerschaftsvereinbarung vom Mai 2014. Jugendliche aus beiden Städten werden sich gegenseitig besuchen, Künstler werden in Zwickau und Dortmund ausstellen, Kirchenchöre gemeinsam singen, Sportvereine gemeinsam schwimmen.
Am Ende der 36-stündigen Recherchereise bleibt die Erkenntnis: Vieles in Zwickau fühlt sich nach Dortmund an. Weil Geschichte, Struktur und Mentalität sich ähneln. „Sich etwas einfallen lassen“, nennt Rainer Eichhorn das Grundprinzip. So haben Dortmund wie Zwickau schon mehrfach grundlegende Veränderungen in ihrer Geschichte überstanden – und werden auch die aktuellen Veränderungen meistern.
Und mein eigenes Bild von der ganzen Ost-West-Frage? Es ist immer gut, die Theorie mit der Realität abzugleichen. Denn das hilft auch dabei, Unterschiede zu verstehen. Und manches dummes Vorurteil lieber ganz schnell abzulegen.
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Online-Streitbeilegung
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Keine Bereitschaft zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren
Der Unternehmer ist grundsätzlich nicht bereit und verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren vor Verbraucherschlichtungsstellen im Sinne von § 36 Abs. 1 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) teilzunehmen. Davon unberührt ist die Möglichkeit der Streitbeilegung durch eine Verbraucherschlichtungsstelle im Rahmen einer konkreten Streitigkeit bei Zustimmung beider Vertragsparteien (§ 37 VSBG).