
Weil das Helfen Spaß macht
Am 22. Februar vor 25 Jahren öffnete die erste Tafel in Deutschland. Die Tafel in Dorsten ging vor 15 Jahren als Übergangshilfe an den Start – und muss bis heute Bedürftigkeit auffangen.
“Das schafft ihr nicht!“ Hedwig Schnatmann erinnert sich noch genau an die Unkenrufe, die sie vor 15 Jahren zum Start der Dorstener Tafel zu hören bekam. Am 7. Oktober 2003 wurde der Dorstener Laden auf Anregung des damaligen Bürgermeisters Lambert Lütkenhorst im Kellergeschoss der Evangelischen Kirchengemeinde in Barkenberg unter ihrer Leitung eröffnet. „Ich war gerade Witwe geworden und hatte keine Lust, den ganzen Tag aus meinem Bungalow heraus den Vögeln im Garten zuzusehen.“ So nahm die tatkräftige Barkenbergerin die Anfrage vom damaligen Dechanten Egbert Schlotmann gerne an.
Zum zweiten Zuhause geworden
2006 zog der Laden vom Keller in die angemieteten Räume der ehemaligen Caritas-Sozialstation im Handwerkshof an der Dimker Allee. Eine neue geräumige, lichte Heimat, die auch Hedwig Schnatmann zum zweiten Zuhause geworden ist. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die aktive Seniorin nicht im Dienste „ihrer Tafel“ steht.
Der Laden läuft. Und ja, sie haben es geschafft! Allen Unkenrufen zum Trotz. „Schauen Sie sich um. Hier gibt’s nichts, was es nicht gibt, und wir haben an den beiden Ausgabetagen in der Woche immer volles Haus.“ Eine Erfolgsgeschichte, die ambivalente Gefühle weckt, denn ursprünglich sollte die Tafel eine vorübergehende Einrichtung für Notsituationen sein. „Die Initialzündung zur Gründung der Tafel war es, unversorgten Kindern zu helfen. Mittlerweile sind wir unfreiwillig in die Rolle eines mittelständischen Unternehmens gedrängt, das dauerhaft Bedürftigkeit auffängt“, sieht Herbert Rentmeister, Vorsitzender der Dorstener Tafel e.V., die Aufgabe der Einrichtung nicht als die eines etablierten Versorgers an.
Solange allerdings die Nachfrage an allen drei Tafel-Standorten – dem Laden und dem Kinderkleidermarkt in Barkenberg sowie dem Mittagstisch, An der Vehme 1 in der Altstadt, – so stark angenommen wird, muss die Tafel auch weiterhin „gedeckt“ sein. Die Schere zwischen Arm und Reich gehe immer weiter auseinander, sagt Rentmeister. Das erlebten die ehrenamtlichen Helfer – zurzeit rund 70 Männer und Frauen – tagtäglich.
Menschen mit geringem Einkommen
„Wir haben sehr viele Flüchtlinge als Kunden, aber auch die Zahl der alleinerziehenden Mütter wird immer größer“, hat Ladenleiterin Hedwig Schnatmann festgestellt. Mehr als 300 Namen sind in der Kundenkartei festgehalten. Berechtigt für den Kauf der gespendeten Waren, die für etwa zehn Prozent des ursprünglichen Preises veräußert werden, sind Dorstener Bürger mit geringem Einkommen.
Dabei werden die Beträge zugrunde gelegt, die auch für die Ausstellung des „Dorsten-Passes“ gelten, das heißt: Jeder Inhaber des Dorsten-Passes erhält automatisch einen Ausweis. Doch Hedwig Schnatmann kennt auch die „Gratwanderer“, die nur wenige Euro über der Bemessungsgrenze liegen. Oder diejenigen, die aus Scham nicht die Hilfe annehmen, die ihnen rechtmäßig zusteht. „Die möchte ich nachdrücklich ermutigen, bei uns vorbeizukommen, denn hier muss sich keiner schämen. Und wer Hilfe braucht, der bekommt sie auch“, lassen die Tafel-Leute niemanden im Regen stehen.
„Ist der Kaffee schon gekocht?“ Johannes Kratz reibt sich die kalten Hände, als er aus dem Lieferwagen klettert. Seitdem der ehemalige Leiter der Gesamtschule Wulfen im Ruhestand ist, spendet er seine Donnerstage, um an diesem Wochentag als Fahrer für die Tafel ab 6 Uhr in der Früh die Lebensmittelgeschäfte, die ihre Waren spenden, quer durch Dorsten und die Nachbarschaft abzuklappern. Insgesamt sind’s 23. „Das macht Sinn und mir großen Spaß“, schleppt er mit Beifahrer Dieter Fabian die Kisten durch das große Tor zur Vorsortierung.
„Ja, was haben wir denn da Feines?“
Dieter Seidel fischt das Gourmet-Schokoladendessert im Glas aus der einen, eingeschweißten Stremel-Lachs aus der anderen Kiste. „Letzte Woche hatten wir drei Kisten Maishähnchen, die wir für einen Euro das Stück verkauft haben“, sagt Hedwig Schnatmann. Zur Weihnachtszeit hätten sogar schon ganze Gänse und Kaninchen in der Lieferung gesteckt.
„Halal-Ecke“ für Muslime
Muslime dürfen sich in der eigens für sie eingerichteten „Halal-Ecke“ bedienen. Auf dem Müll landet so gut wie nichts, darauf hat Hedwig Schnatmann ein Auge: „Wir sind zu Hause fünf Kinder gewesen, da wurde auch verantwortungsvoll gehaushaltet.“
Margaritha Bayer und Karin Hoffmann überprüfen Obst und Gemüse, sortieren die Konserven in die Regale, die Milch-Produkte in die Kühlschränke ein. „Wir haben Zeit und wollen helfen“, lassen sie sich gerne von Helga Heidfeld in die Liste der Arbeitsgruppen eintragen.
Auch Hedwig Schnatmann hat die „Tafel-Lust“ noch nicht verloren. Als Anerkennung für ihr Ehrenamt überreichte Bürgermeister Stockhoff – Schirmherr der Dorstener Tafel – der Powerfrau im vergangenen Jahr die goldene Ehrennadel der Stadt. Anlass war ihr 80. Geburtstag. Doch ans Aufhören denkt Hedwig Schnatmann nicht: „Ich würde gerne noch ein paar Jahre im Laden machen“, sagt sie lachend und fügt schelmisch hinzu: „Meinen Job will eh keiner haben!“
Text: Anke Klapsing-Reich
Fotos: Anke Klapsing-Reich
Video: Marie Rademacher
Gestaltung: Marie Rademacher
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